Warum wir nicht über Krieg reden

In der deutschen Gesellschaft sind Kriege mehr als ein unbequemes Thema. Es ist ein Tabuthema. Krieg ist ein kulturelles Tabu. Das merke ich jeden Tag wieder.

Kriege haben mich schon immer interessiert. Schon in meiner Jugend habe ich mich mit Kriegen und mit Sicherheitspolitik beschäftigt. Dafür haben mich damals viele immer etwas schief angeschaut. Es hat aber auch keinen verwundert, als ich nach dem Abitur als Offizieranwärter zur Bundeswehr gegangen bin.

In der Rückschau sind die schiefen Blicke auch fast verständlich. Als ich 1993 meinen Dienst antrat, formte Francis Fukuymas Idee vom Ende der Geschichte gerade den Zeitgeist. Mit dem von ihm beschriebenen Siegeszug der liberalen Demokratie nach dem Ende des Ostblocks und der Sowjetunion sollte ein goldenes Zeitalter des Friedens anbrechen.

Es war aber nur ein vermeintlicher Siegeszug unseres westlichen Systems. Trotzdem begann in den Folgejahren nach meinem Eintritt in unsere Streitkräfte ein radikaler Abbau der Bundeswehr als Instrument der Landes- und Bündnisverteidigung.

Übertüncht wurde das Verschwinden einer Bundeswehr, die unser Land noch schützen konnte, durch das Bild einer Friedensmissionsarmee, die auch am Hindukusch Deutschland verteidigt. Ich weiß das genau: Als Presseoffizier habe ich einige Jahre an diesem friedensschönen Bild mitgemalt.

Auch in meinem jetzigen Job als Berater für Krisenmanagement und Krisenkommunikation habe ich mit Krieg zu tun. Wenn ich Unternehmen dabei unterstütze, sie krisenresilient zu machen, dann mache ich das auch, um sie kriegsresilient aufzustellen.

Denn viele der krisenverursachenden Einwirkungen stammen daher, dass wir uns längst in einem Krieg befinden. In einem Hybriden Krieg, zu dessen Standardinstrumenten Cyberangriffe auf deutsche Unternehmen gehören.

Doch auch ich habe das kulturelle Kriegstabu verinnerlicht. Schließlich habe ich in den letzten fünf Jahrzehnten eine typisch bundesrepublikanische kriegsaverse Sozialisation genossen. Die Tabubefolgung sitzt tief.

Das wurde mir diese Woche wieder bei einem Kunden bewusst, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ich dazu motivieren wollte, ihre Führungsmannschaft beim Aufbau eines Informationssicherheitsmanagementsystems (ISMS) zu unterstützen.

Ich hätte klar und deutlich sagen sollen: „Ein solches System ist ein wichtiger Schritt, um Ihr Unternehmen für einen zu erwartenden feindlichen Angriff widerstandsfähiger zu machen.“

Doch ich habe das dann diplomatischer ausgedrückt. Zum einen hätte ich sie mit einer solchen Kriegsaussage überfordert. Für so etwas habe ich als langjähriger Kommunikator ein Gespür.

Zum anderen wollte ich auch nicht als Kriegstreiber dastehen. Denn auch das gehört zum kulturellen Tabu. Wer es bricht, wird sanktioniert, mit diesem Abwehrwort belegt.

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