Spielt wieder mit den Schmuddelkindern

Manchmal macht man einen Job zu unrechter Zeit. So muss ich dieser Tage immer wieder denken, wenn ich mir die Nachrichten anschaue. Der Grund: Ich war früher einmal Rüstungskommunikator. Vor 15 Jahren.

Damals, als sich noch niemand in Deutschland für Rüstung interessierte, als Rüstung für die meisten noch nicht so sexy war wie heute. Damals war ich Kommunikator der Rüstungsunternehmen des Carl-Zeiss-Konzerns. Seine Traditionen als Produzent von Militäroptik reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück.

Ich erinnere mich noch gut. Ich war an den Lehrstuhl von Claudia Mast, Professorin für Kommunikationswissenschaft in Hohenheim, eingeladen. Ich sollte einen Vortrag zur internen Konzernkommunikation halten. Meine Präsentation trug den Titel: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern.“

Ich wollte den Studenten klar machen, welche Kämpfe man als Rüstungskommunikator im eigenen Haus auszufechten hat. Denn: In der Unternehmenskommunikation des Optikmischkonzerns Carl Zeiss ging es immer nur um Messen, Heilen, Prüfen. Nie um Zielen oder gar Töten.

Mein Präsentationstitel war gut gewählt, so wurde mir bestätigt. Die Dozentin, die mich eingeladen hatte, schrieb mir in einer Dankesmail: Selten habe sie einen Kommunikator erlebt, der so offen über Kommunikationsprobleme im eigenen Haus gesprochen habe.

Aber was hätte ich auch lügen sollen. Rüstungskommunikation war damals kein leichter Job. Schon die eigenen Kollegen im Konzern waren schwer zu erreichen. Wir waren für sie Schmuddelkinder.

Auch in der externen Kommunikation war der Job nicht eben leichter. Die Journalisten, die sich damals ernsthaft für Sicherheitspolitik, Rüstung und Militär interessierten und auch Ahnung hatten, konnte man an zwei Händen abzählen.

Darunter Thomas Wiegold, der Macher des Blogs „Augen geradeaus!“ und – wie ich ihn gerne bezeichne – der Doyen des sicherheitspolitischen Journalistenkorps. Oder Sabine Siebold von Reuters. Beides erstklassige Journalisten.

Beide könnten sogar so manchen General der Bundeswehr mit ihrem Fachwissen ins Achtung stellen. Wenn sie anriefen, dann hieß das: Journalismus auf höchstem Niveau mit kritischen Fragen.

Dann gab es noch ein paar pensionierte Stabsoffiziere, die für Fachmedien arbeiteten. Da diese Medien am Anzeigentropf der Rüstungsindustrie hingen, brauchte man von ihnen keine kritischen Fragen zu erwarten. Mehr gab es damals nicht.

Heute schießen die Rüstungsexperten wie Pilze aus dem Boden. Und man hat das Gefühl, dass es Journalisten gibt, die jede Schraube an den Taurus-Raketen persönlich kennen. Und das ist gut.

In Zeiten des Hybriden Krieges müssen wir kommunikationsresilient werden. Dazu aber brauchen wir eine gute und tranparente Rüstungskommunikation und einen sicherheitspolitischen Journalismus. Dazu wiederum ist es wichtig, dass die Rüstungswirtschaft aus der Schmudelecke herauskommt.

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