Sollten wir es Russland gleichtun?

Zeitenwenden sind immer Epochen auch des Sprachwandels. Begriffe werden aus der historischen Mottenkiste hervorgeholt, um mit alten Begriffen Neues zu beschreiben.

Wir leben gerade wieder in einer Zeitenwende: Mit der Rückkehr des Krieges erleben wir die Zurückdrängung des Primats der Wirtschaft. Der hatte 40 Jahre geherrscht. Mit dem Wiederauftritt des Primats der Geopolitik betreten alte Begriffe die Bühne der neuen politischen Diskurse.

Einer dieser Begriffe ist Kriegswirtschaft. Der stammt eher aus der historischen Mottenkiste des 20. Jahrhunderts. Eine Kriegswirtschaft sollte im Zweiten Weltkrieg sicherstellen, dass die Produktionskapazität des Landes so gesteuert wird, dass die Kriegsbemühungen unterstützt werden.

Russland stellt gerade seine Ökonomie auf eine solche Kriegswirtschaft um. Es baut seine wirtschaftlichen und zum Teil auch gesellschaftlichen Strukturen so um, dass alles dem Kriegsziel untergeordnet wird. Dabei greift der Staat immens in die Verteilung von Ressourcen ein, die sonst über den Markt geregelt werden würde.

Auch für Deutschland wird mittlerweile eine Kriegswirtschaft gefordert. Die taz-Journalistin Ulrike Herrmann will sie. Allerdings möchte sie sie, um der Klimakrise Herr zu werden. Sie rekurriert dabei bewusst auf das England von 1940.

Die Briten hatten den Zweiten Weltkrieg nicht wirklich kommen sehen. In nur wenigen Wochen mussten sie ihre Friedenswirtschaft „schrumpfen“, um in den Fabriken Militärgüter herzustellen. Ulrike Hermann möchte eine solche Kriegswirtschaft heute für ein „grünes Schrumpfen“ nutzen.

Der FDP-Politiker und heute Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marcus Faber, forderte im Jahr 2024 die „Einführung von Elementen einer Kriegswirtschaft in Deutschland“. Seine Begründung: die neue Bedrohungslage durch ein imperiales Russland.

Um die Abschreckung gegenüber Putin zu gewährleisten, so seine Forderung, müsse „die deutsche Rüstungsproduktion dauerhaft auf ein höheres Niveau gehoben werden“. Dazu gehörten auch langfristige Abnahmegarantien für die Rüstungsindustrie.

Auch müssten den Rüstungsunternehmen wettbewerbsfähige Kredite über die Förderbank KfW ermöglicht werden. Zudem müssten der Rüstungswirtschaft der Zugriff auf Ressourcen wie Stahl und chemische Güter garantiert werden, sowohl durch Sicherstellung der Lieferwege, Schaffung einer nationalen Reserve und dem Vorrang bei diesen Produkten vor zivilen Projekten.

Es ging Marcus Faber nicht um ein Schrumpfen der Wirtschaft wie in England. Und auch nicht um eine komplette Unterordnung der Wirtschaft unter die Kriegsanstrengungen wie in Russland. Der Griff in die sprachliche Mottenkiste stiftet hier nur Verwirrung. Wir sollten es Russland nämlich auf keinen Fall gleichtun.

Es geht ihm darum, unsere Resilienz als Staat und als Gesellschaft zu erhöhen. Deshalb ist der Begriff Kriegswirtschaft falsch. Wir brauchen einen neuen. Ich schlage Kriegsresilienz vor.

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