Ich habe an der deutsch-polnischen Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) studiert und war einige Jahre mit einer Polin verheiratet. Deshalb liegt mir unser östliches Nachbarland besonders am Herzen.
Mit aller Vehemenz versichere ich meinen polnischen Freunden immer, dass wir Deutschen bei einem russischen Angriff mit ihnen zusammen in vorderster Linie stehen, um den Feind abzuwehren. Polen ist ein NATO-Land und da stehen alle für einander ein.
So habe ich es gelernt. Denn ich bin ein NATO-Kind. Mein Vater war in meiner Kindheit S3-Feldwebel in einem Nachschubbataillon SW der Bundeswehr. Das SW steht für Sonderwaffen. Gemeint waren damit taktische Nuklearsprengköpfe.
Ich bin im Schatten dieser amerikanischen Atomraketen groß geworden. Sie gehörten dem NATO-Land USA. Ihr Abschreckungspotential hat eine anderes NATO-Land geschützt: Mein Land. Deutschland.
Die Freiheit und der Wohlstand, in dem ich aufwachsen durfte, hat das Nordatlantische Verteidigungsbündnis gewährleistet. Es hat sehr gute Arbeit geleistet. Davon bin ich überzeugt.
Deshalb war für mich immer klar, dass Deutschland, da es nicht mehr Fronstaat ist, selber ganz selbstverständlich anderen NATO beisteht. Jetzt ist Polen einer der Frontstaaten des Bündnisses. Den Polen gebührt im Falle eines Angriffes deshalb unsere volle Unterstützung. Und die heißt, auch zu kämpfen.
Viele meiner polnischen Freunde sehen das anders. Sie haben so ihre Erfahrungen mit den Deutschen. Historische Erfahrungen. Polen wurde mehrmals geteilt. Immer waren wir Deutschen mit dabei, wenn es Polen an den Kragen ging.
Heute vor 230 Jahren am 3. Januar 1795 vereinbarten Russland und Österreich die Dritte Teilung Polens. Die „deutschen Preußen“ sind dem Bündnis zwar erst am 24. Oktober beigetreten. Auch sie wollten ihr Stück vom polnischen Kuchen abhaben. Durch diese Teilung verschwand Polen dann für über ein Jahrhundert von der Landkarte.
Kann man als Polen uns Deutschen angesichts dieser Vorgeschichte trauen? Kann man uns Deutschen angesichts der aktuellen Politik trauen? Wir haben zwei Parteien in unserem Land, die den NATO-Austritt fordern und die sich in Russlandfreundlichkeit überschwänglich ereifern.
Und auch in den beiden sich noch als Volksparteien inszenierenden Parteien sieht es nicht anders aus. Auch sie haben ziemlich russophile Gruppen in ihren Reihen, wie das kürzlich ein bekannter konservativer Außen- und Verteidigungspolitiker auch für seine Partei verriet.
Deshalb kann ich meine polnischen Freunde verstehen, wenn sie angesichts von Vergangenheit und Gegenwart skeptisch sind und sich fragen: Werden die Deutschen, wenn Russland Polen angreift und es hart auf hart kommt, vielleicht doch irgendwelche Ausflüchte erfinden, um nicht kämpfen zu müssen.