Ich erinnere mich gut. Es war nach dem Angriff auf die Ukraine. Auf 3sat lief die Kulturzeit. Eine Künstlerin und Mutter fragte weinerlich die Moderatorin: „Wie soll ich die Grausamkeiten des Krieges meinen Kindern erklären?
Ich dachte mir: „Kein Wunder, wenn man vielen Kindergenerationen das Kriegsspielzeug vorenthält. Wie sollen sie denn überhaupt einen Anreiz haben, sich mit diesem Phänomen der menschlichen Kultur auseinanderzusetzen?“
Ich erschrak. Darf man so etwas denken? Ich bin mit Kriegsspielzeug aufgewachsen. Ich habe meine Panzersammlung noch in einem Karton auf dem Kleiderschrank. Leoparden, Raketenjagdpanzer, Füchse. Alles im Modelbahnmaßstab H0.
Ich erinnere mich aber: Zu Hochzeiten der Friedensbewegung in meiner Kindheit gab es Aktionen, um Kriegsspielzeug in friedensförderndes Spielzeug umzutauschen. An manchen öffentlichen Orten standen auch Boxen, um es einfach loszuwerden.
Jetzt habe ich erfahren: Manchmal gibt es die noch. Ein Museum in Linz hat 2022 eine solche Abgabebox aufgestellt. Ich dachte zwar, dass es Kriegsspielzeug gar nicht mehr gibt. Aber ich war lange in keinem Spielzeugladen.
Es läuft in der menschlichen Kulturentwicklung sehr viel über das Spiel. Ich bin ein großer Fan von Johan Huizingas Buch Homo ludens, in dem er ein Erklärungsmodell entwickelt, wonach der Mensch seine kulturellen Fähigkeiten vor allem spielerisch entwickelt.
Dass wir heute Elterngenerationen haben, die nicht in der Lage sind, ihren Kinder Krieg zu erklären, hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass sie sich selber nie spielerisch mit Krieg auseinandersetzen durften. Kriegsspielzeug hat einen kriegssensibilisierenden Wert. Eine vielleicht harte These, aber ich kann ihr etwas abgewinnen.
Ich gehöre zur Ersten Generation, die wieder Krieg führen muss. Derzeit einen Hybriden Krieg. Das ist beruflich eines meiner Themen. Aber auch privat denke ich darüber nach: Wie machen wir unsere Gesellschaft kriegsresilient?
Mit dem Aufkommen der Friedensbewegung in den 1970er Jahren wurde Kriegsspielzeug problematisiert. Mein Eindruck: Die Diskurse werden eher emotional als rational geführt. Einigkeit herrscht, so weit ich es sehe, aber über eines: Nicht das Spiel alleine ist entscheidend, sondern auch die soziale Prägung durch das Elternhaus und das kulturelle Umfeld.
Mein Vater war Berufssoldat. Als ich ungefähr sechs Jahre war, erklärte er mir nüchtern, warum seine Erkennungsmarke Sollbruchstellen hat: „Wenn ich im Krieg sterbe, dann wird sie durchgebrochen. Die eine Hälfte kommt an meine Leiche. Die andere wird zu Dir und Deiner Mutter geschickt.“
Mein Kriegsspielzeug und die begleitende Einordnung des Krieges durch meinen Vater haben mich kriegssensibel gemacht. Ich möchte keinen Krieg. Deshalb arbeite ich daran, dass wir wieder kriegsresilient werden.