Wisst Ihr, was der NATO-Doppelbeschluss ist? Könnt Ihr noch mit dem SDI-Programm etwas anfangen? Habt Ihr eine Ahnung, was sich hinter der Abkürzungen MAD verbirgt?
Als ich vor dreieinhalb Jahrzehnten als Heranwachsender anfing, mich für Sicherheitspolitik zu interessieren, musste man diese Sachen draufhaben. Da herrschte noch der Kalte Krieg. Wissen rund um Nuklearwaffen gehörte zur Allgemeinbildung.
Der NATO-Doppelbeschluss von 1979 sah die Nachrüstung von Mittelstreckenraketen in Westeuropa sowie gleichzeitig Verhandlungen mit der Sowjetunion über Abrüstung vor. SDI war die Strategic Defense Initiative unter Präsident Ronald Reagan. Mit ihr sollte in den 1980er Jahren ein weltraumgestütztes Raketenabwehrsystem gegen sowjetische Atomwaffen entwickelt werden.
MAD dagegen steht für Mutual Assured Destruction. Das ist eine nukleare Abschreckungsstrategie, bei der sich zwei Gegner durch die gegenseitige Fähigkeit zur vollständigen Vernichtung mit Atomwaffen in Schach halten. Ein Erstschlag würde automatisch zur eigenen Zerstörung führen.
Das Internet gab es damals noch nicht. Wer sich eingehend mit tagesaktueller Sicherheitspolitik beschäftigen wollte, musste Qualitätszeitungen lesen. Sie hatten Journalisten, die sich in der Materie auskannten und einordnen konnten. Sie hatten Nuklearwaffenkompetenz.
Das war gutes und preiswertes Wissen für die breite Masse, das man sich auch von seinem Taschengeld als Heranwachsender leisten konnte. Qualitätszeitungen für die breite Masse gibt es heutzutage nicht mehr. So jedenfalls scheint es mir.
Qualitätsjournalismus heißt heute Deep Journalism. Er kommt als schweineteure Newsletter daher. Gedacht nur für Competence Leaders, „dessen Berufserfolg von ‚better informed decisions‘ abhängt“, so Sebastian Turner, einer der Vordenker dieser neuen Spielart des Journalismus.
In Zeiten des Hybriden Krieges werden wir täglich auf unserem eigenen Territorium angegriffen: durch Cyberattacken auf Unternehmen, durch Delegitimierungsangriffe auf Behörden, durch Desinformationsoffensiven auf die Zivilgesellschaft.
Eine Taktik in diesem Hybriden Krieg: Der Feind droht mit dem Einsatz von Nuklearwaffen. Und diese Drohung trifft auf eine völlig unvorbereitete breite Masse und auf die große Mehrheit unvorbereiteter Competence Leaders.
Der Gesellschaft und leider auch dem deutschen Journalistenkorps fehlt aber jegliche intellektuelle Resilienz gegenüber den Nuklearwaffendrohungen. Genau darauf spekuliert der Feind: Er will uns verunsichern. Panik verursachen. Auch das ist ein Zweck hybrider Aktionen.
Um uns gegen solche Kommunikationsattacken zu wehren, müssen wir kommunikationsresilient werden. Dazu brauchen wir wieder einen qualitativ hochwertigen und einordnenden Nuklearwaffenjournalismus für die breite Masse.